Auf rund 330 qm Ausstellungsfläche waren 15 Arbeiten zu sehen und zu hören, die teils miteinander interagierten, teils vom Publikum aktiviert
und bespielt werden konnten. Drei stumme Arbeiten waren als Rudimente meiner frühen Schaffenszeit ausgestellt. Es erschien eine 36-seitige
Broschüre.
Datum: 10.8.2018 bis 30.9.2018
Curator: Wolfgang Schliemann
On around 330 square meters of exhibition space, 15 works could be seen and heard, some of which interacted with one another and some were activated by the public
and could be played. Three silent works were exhibited as rudiments of my early creative period. A 36 page Brochure has been printed.
Date: 08/10/2018 to 09/30/2018
Ein Radiobeitrag von Stafanie Blumenbecker für HR2 zur Ausstellung in Wiesbaden
A radio report by Stafanie Blumenbecker for HR2 in German
Es ist ein großer Gewinn für Wiesbaden, Erwin Stache mit einem Ausschnitt aus seinem reichen Schaffen im Kunsthaus zu Gast zu haben.
Der 1960 in Sachsen geborene Erwin Stache absolvierte nach seiner Musikausbildung an Klavier und Orgel das Studium der Mathematik,
Physik und Pädagogik. Derart vortrefflich gerüstet, entschied er sich für eine freie Tätigkeit als Musiker, Komponist und Klangobjektebauer:
Er spielte in Rock, Jazz- und Bluesgruppen und reüssierte mit Installationen, Konzerten, Filmen und Workshops,
...
unter anderem bei den Tagen Neuer Musik in Witten, den Donaueschinger Musiktagen, der Art Cologne, bei
VOXXX Chemnitz, im Orff-Zentrum München und bei Sir Simon Rattle
und dessen Education Projekt mit den Berliner Philharmonikern. Er lebte für fast ein Jahr als Stadtklangkünstler, Beethoven sei Dank, in
Bonn und erhielt zahlreiche Auszeichnungen für diese Mischung aus Gespür für Klang und Ton und technischer Begabung. Jetzt ist er hier – mit
einer aktuellen Auswahl seiner elektro-akustischen Apparaturen und Klangmechanismen, aufgespannt zwischen autonomer und publikumsabhängiger
Klangerzeugung. Seine einzigartigen Musikmaschinen entstehen aus den mannigfaltigsten Materialien und spiegeln Staches offenbar nicht
versiegende Fantasie und einen enormen Ideenreichtum wieder. Es sei nicht nur der Klang, der ihn an Alltagsgegenständen, Fundstücken oder
Industrieabfällen interessiere, sagt Stache, sondern auch deren Form, Struktur und Geschichte. „Sie sind unterschiedliche Ausgangspunkte
für das Konstruieren einer Klangskulptur oder eines neuen Instrumentes.“ Liest man Rezensionen zu Staches Arbeiten, tauchen immer wieder
Begriffe wie Erstaunen, Bewunderung, Zauberei, Unglauben und Irritation auf, Hand in Hand mit Vergnügen, Absurdität, Heiterkeit, Humor und Witz.
Von „Stacheophonie“ ist die Rede und dass man Erwin Stache vielleicht einen Abenteurer im Dreieck von Physik-Musik-Elektroakustik nennen
könnte. „Unter den Forschern ein Komödiant, unter den Komödianten ein Forscher …“. Zu spüren sei eine ganz unmittelbare Kraft der Kreativität.
Sie stecke voller Hintersinn, ohne anzugeben, worin dieser liege (…), und dass in diesem Geheimnis schon immer wesentlich Größe und Gelingen
künstlerischer Arbeit verborgen seien. Doch bei der Erfindung neuer Klangobjekte will Stache es nicht belassen, vielmehr tritt er immer
wieder als Vermittler und Pädagoge in Erscheinung. Seit 2002 gibt er Workshops für Schüler, in Leipzig ruft er das spätere Ensemble
Atonor als schulische Arbeitsgemeinschaft mit Projektnamen „AG Klangexperimente“ am Gymnasium Brandis ins Leben mit dem Ziel, das Verständnis
von Klang und Musik weit über herkömmliche Grenzen hinaus zu erweitern. Das ist gelungen. Atonor ist inzwischen europaweit mit seinen Konzerten
auf Erwin Staches „Instrumenten“ erfolgreich gemäß ihrem Motto, „eine Situation zu schaffen, in welcher das Publikum nicht weiß, worüber es mehr
staunen soll: über die Objekte selbst oder über die Art und Weise, wie sie eingesetzt werden.“ Spielfreude und Witz sind ansteckend. Die Ausstellung mit
Erwin Stache bietet die Gelegenheit für ein Konzert mit Atonor, das Staches Wandelbarkeit, seine überbordende Fantasie, seine Präzision und
die damit erzeugte Klang- und Formfülle sichtbar und hörbar macht – ein höchst sinnliches Vergnügen. Dafür danke ich Erwin Stache.
Axel Imholz - Kulturdezernent
Benjamin Stache
HÖREN | SEHEN
Es ist das Überraschende und Unerwartete, welches einen auf Schritt und Tritt begleitet, wenn man sich in die klangsurreale Welt von Erwin Stache begibt.
Dies beginnt bereits zu Anfang: Das typische vorsichtige Vortasten in einen neuen Kunstraum, der erste Blick auf die vier stabförmigen Gebilde an der
gegenüberliegenden Wand und auf die bizarren Apparaturen in der Mitte des Raumes, wodurch wohl vom Einen oder Anderen ein erster Versuch unternommen wird, diese
Kunstwerke einzuordnen, jäh unterbrochen durch das abrupte Aufflackern und Klackern zahlreicher kleiner Relais eines Messschrankes neben dem Eingang.
...
Diese präparierte
Wundermaschine gibt einen Vorgeschmack darauf, was einen in dieser Ausstellung erwartet – nämlich gerade das, was man nicht erwartet. So löst bereits jene erste
maschinelle Intervention des Relais-Ungetüms eine wichtige Reaktion aus – sei es ein Auflachen, ein Schmunzeln, ein Aufschrecken oder
Stirnrunzeln. In jedem Falle besitzt man nun die nötige Freiheit, sich mit einer gewissen Ungewissheit wieder dem zuzuwenden, was da
eigentlich noch im Raum steht. hoch empor ragen die bereits erwähnten weißen Gestänge der Schwirrenden Unruhe, welche per Motor unter
zittrigem Geklapper aufgespannt werden, bevor sie ihre aufgestaute kinetische Energie in bedächtig schwingenden Pendelbewegungen wieder
entladen. Davor steht die Murmelzither – eine Art Endlosapparatur mit kreisrundem Fahrstuhl, der kleine Kugeln auf eine Metallrinne
befördert, von welcher sie auf zwei in V-Form aufgestellte Zithern fallen und dadurch je nach Aufschlagpunkt verschiedene Akkorde erzeugen, bevor sie
durch eine weitere Schiene wiederum zum Aufzug gelangen. Dadurch ergeben sich je nach Kugelbeschaffenheit und Fallrichtung leicht variierende Zither- Dissonanzen,
die sich mit ergänzenden Roll- und Stoßgeräuschen der Murmeln zu einem ganz besonderen akustischen Perpetuum Mobile vereinigen. Ähnlich autark gibt sich die
Hammermaschine, bei welcher kleine Holzschlägel mit stoischer Behäbigkeit auf Klaviersaiten schlagen und irgendwie an ein abstruses Hackbrett erinnern. In der
Ecke schließlich erheben sich drei hölzerne Wandgarderoben – und zwar wortwörtlich, denn sie ziehen sich in bedächtiger Unruhe immerfort auf und zusammen, was
wiederum Einfluss auf die Klänge hat, die diese Scherengitter produzieren. Sie bilden einen mal rauschenden, mal stummen Wald, der nie still steht, sondern
sich mechanischklanglich bewegt und bizarre Schatten wirft.
MURMELZITHER 1990 Kugeln, Zithern, Motor
Dieses groteske Ensemble aus selbstspielenden Maschinen besticht durch die Autarkie jedes einzelnen Objektes einerseits und das teils
unfreiwillige Zusammenspiel aller dieser Dinge andererseits. Abseits der separaten Betrachtung einer jeden Apparatur ist es ebenso
spannend, sich auf die Gesamtheit dieses Klangkörpers einzulassen. Das leise, rein akustische Reiben der Schwingstäbe verdichtet sich mit Hilfe
des elektronischen Rauschens der Scherengitter zu einem Teppich aus Bewegungen und Geräusche vor welchem Murmelzither und Hammermaschine ihre
saitenbasierten Akzente setzen, quasi intervenieren, konterkarieren oder aber auch sich einfügen in das Gesamtklang-Bild. Auch das ist wieder
wörtlich gemeint, denn obgleich die Klangobjekte Erwin Staches auf so erfrischende Weise keiner übergeordneten Thematik bedürfen, sich keinem konstruierten gemeinsamen
geistigen Nenner unterwerfen, so lassen sich dennoch gewisse Prinzipien erfassen, nach denen sich nicht nur die hier beim Automatikorchester ausgestellten, sondern auch
alle anderen Werke des Künstlers zu richten scheinen. Es ist die Gleichberechtigung zwischen dem Hören und Sehen, welche zuvorderst auffällig ist. Der Klang wird
sichtbar, wenn Stäbe schwingen, Gitter sich aufziehen und Murmeln fallen, weil er mit dem Objekt und dessen Bewegungen so eng verknüpft ist. Das Gehörte wird
auf plastische Weise nachvollziehbar und auf spannende Art konkret. Somit ist die Betrachtung dieser Kunst als Skulptur ebenso gültig wie ihre klanglichen
Aspekte. Des weiteren ist die fast schon friedliche Koexistenz von Akustik und Elektronik bemerkenswert. Es scheint diesbezüglich keine Hierarchie zu
geben. Vielmehr ergänzen sich beide Felder gegenseitig – bspw. beim Arrangement in einer Gruppe wie diesem Automatikorchester, bei welchem sich die
Scherengitter als einzige elektronische Vertreter gegen ihre akustischen Artgenossen zu behaupten haben und das Klangbild somit gleichsam würzen. Wenn darüber
hinaus noch etwas als gemeinsamer Nenner dieser Fülle an Ideen gelten sollte, dann ist dies unzweifelhaft der all diesen Werken inhärente feine Humor. Die Objekte
haben etwas Heiteres, mal sehr subtil, mal offensichtlich, jedoch nie grobschlächtig, sondern stets intelligent. Sie entziehen sich beengender Strenge, und die
damit einhergehende Verunsicherung, ob hier denn etwa gelacht werden dürfe – was erfreulicherweise bejaht werden kann – ist eine Bereicherung. Eine schöne
Ergänzung des ohnehin schon ausgeklügelten Humors ist, wenn manche Werke gleichzeitig etwas offensichtlich Tragisches an sich haben. So könnten die hier
ausgestellten Automatikobjekte als eine Entschleierung einer allzu perfekt propagierten Maschinenwelt angesehen werden. Sie funktionieren zwar ohne menschliches
Zutun mit allerlei Motoren, Scharnieren und Schrauben, sind aber dennoch in ihrem ewigen Kreislauf mit all seinen Widrigkeiten gefangen. Die Schwingstäbe der
Schwirrenden Unruhe zittern immer wieder abgehackt aufwärts, bevor sie sich in wohlgeformten Wellen auspendeln können, und auch die Kugeln der Murmelzither können
noch so individuell auf die Zithern fallen, aber am Ende reihen sie sich alle wieder für den nächsten Transfer am Fahrstuhl ein. Wenn dann mal eine ausbricht aus
dem ewigen, monotonen Kreislauf, indem sie aufgrund zu heftiger Sprünge aus der Schiene zu Boden fällt – was durchaus passieren kann – so stehen unter Garantie
eifrige Besucher oder Aufsichtskräfte bereit, welche den Ausreißer zurück an seinen angestammten Platz befördern. Es sind solche kleinen Szenen, durch die die
entmenschlichten Maschinen auf einmal beängstigend stark an allzu Menschliches erinnern. Aber all diese Gedanken sind unverbindlich, freiwillig und nicht
notwendig für die Werke an sich – und das ist die unglaubliche Kraft, die der Kunst von Erwin Stache innewohnt. Seine Objekte öffnen viel Raum für
Interpretationsansätze, erzählen viele kleine Geschichten, ohne sie gleichzeitig zu erfordern. Sie sind grundsätzlich erst einmal interpretationsfrei.
Die Frage nach einem Sinn wird nicht gestellt, und vom Betrachter fällt die Last, sich mit hinter den Objekten stehenden theoretischen Konstrukten befassen
zu müssen, um ein „Warum“ zu ergründen. Vielmehr wird es zur Herausforderung, dieses „Warum“ beiseite zu lassen und dadurch Kunst auf einem intuitiven Weg
zu erfahren. So lässt sich dann auch die Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Objekte insgesamt begreifen, die sich jeder thematischen Zusammenfassung zu
entziehen scheinen, wobei die Werke einzeln betrachtet durchaus ganz konkrete Bereiche bedienen. Dies gleicht einem Traum, einem sprunghaften und nach
allen Seiten hin offenen Denken und dem freien, kreativen Spiel eines Künstlers, der – und auch das ist ein markanter Punkt im Wirken von Erwin
Stache – nicht nur derart zahlreiche Ideen, sondern auch deren konkrete Umsetzung vom elektronischen Schaltplan bis hin zur handwerklichen
Konstruktion hauptsächlich in Eigenregie formt.
Wolfgang Schliemann
HÖREN | MACHEN
Aus der Perspektive des Kurators erschließen sich – nicht im Gegensatz, aber im Unterschied zur staunenden Besucherperspektive – Erwin Staches künstlerische
Kraft und Anliegen durch die Gewissheit, dass hier ein kritischer Geist am Werke ist, der sich aufmerksam und beständig mit dem Weltgeschehen auseinandersetzt.
Er tut dies mit spielerischem Ernst und skeptischer Unbefangenheit, ohne Angst vor Paradoxien. Bei allem Spezialistentum offenbart seine Haltung im Umgang
selbst mit modernster digitaler Technik auch ein grundlegendes Unbehagen an der technischen Zivilisation. Sein distanziertes Verhältnis zu zweckrationaler
Zielstrebigkeit ermöglicht ihm geradezu erst das freie Assoziieren, erhält ihm die Freude an der experimentellen Arbeit.
...
Wo andere planvoll Konzepte
umsetzen, sind es bei ihm oft Einfälle, die scheinbar sehr weit hergeholt sind, aber einer Denkweise folgen, nach der Alles mit Allem in Verbindung treten und
dann überraschend Gestalt annehmen kann, technische Lösung inbegriffen – meistens. Hier hilft ihm neben der technisch-handwerklichen Könnerschaft die Freiheit des improvisationsgewohnten Musikers, der ästhetisch nicht festgelegt ist und auch nicht werden will. Sein Klangmaterial kann aus Naturlauten, Maschinengeräuschen, Computergeneriertem oder auch leicht erkennbaren Melodie-Zitaten bestehen – alles hat nebeneinander (oder auch miteinander) Bestand und atmet eine humorvolle Unbeschwertheit – immer. Hören im allgemeinen Sinn ist Voraussetzung und zentrale Bezugsgröße bei jeder Erscheinungsform von Klangkunst und ist – selbst im weitesten Sinne – immer präsent. Sobald die Erzeugung von Klängen in Raum und Zeit Gestalt annimmt, ist ein Vorgang von Entstehen und Vergehen, von Flüchtigkeit also, zu erleben – vorausgesetzt, die Aufmerksamkeit ist ausreichend geweckt, die Wahrnehmung entsprechend gerichtet. Klangkunst an sich fordert dies heraus, die beste Klangkunst verführt dazu. Ein Verständnis von akustischen Phänomenen, das Ton, Klang und Geräusch als gleichberechtigt nebeneinander gelten lässt, vielleicht sogar deren hierarchische Unterscheidung aufheben kann, macht frei für die Begegnung mit dem bislang Unhörbaren, Überhörten, dem vorher Ungehörten, Unerhörten als Musik. Machen im Sinne Erwin Staches setzt ein solches Hören voraus – soll heißen: die Bereitschaft, das Hörbare als Klang, den zu beeinflussen mir anvertraut wird, wertzuschätzen. Bei der einfachsten Form geschieht dies schon durch das Herantreten an ein Objekt: indem Sensoren reagieren, schaltet sich ein vorbereitetes Klanggeschehen für eine Weile ein; dieses kann eine Zufallsabfolge wie bei der Wundermaschine sein oder auch aus „richtigen“ kleinen oder auch größeren Kompositionen bestehen, man höre und sehe etwa die Arbeiten Magische Wand und Saitenkästenmatrix. Dann gibt es Objekte, bei denen die eigene Neugier – so noch vorhanden – den Weg weist, wie es die Klangkästen nahelegen: herkömmliche Spieldosen mit ihren mechanischen Laufwerken lieferten die Inspiration; das beim Öffnen Erklingende soll aber nicht nur abgespielt, sondern variiert und verändert werden können, die individuelle Bewegungsdynamik nimmt Einfluss auf den Klang. Ein weiteres Beispiel ist Neongrün I, von dem die Eigenbewegung auditiv u n d visuell gespiegelt wird.
Beim Buchstabenspiel können Tafeln, auf denen Buchstaben abgebildet sind, auf eine Fläche mit drei Ablageplätzen gelegt werden; jeder Buchstabe klingt auf
jedem Platz anders, verwendet aber seine typische Lautform. Zwar steht der lautpoetische Effekt im Vordergrund, jedoch erlaubt die Komposition darüber hinaus
eine Vielzahl an Kombinationsmöglichkeiten und damit die Erzeugung schier unzähliger klanglicher und rhythmischer Muster: Buchstaben machen Musik.
Interaktivität verstanden als ausdrückliches Angebot, durch gezieltes Handeln Klänge steuern zu können, finden wir bei vier Arbeiten: Die Ausgangsidee zu
Von B nach M und zurück fiel dem Künstler beim Befahren einer dicht schlaglochbewehrten Straße zu, die mit viereckigen Flicken ausgebessert worden
war; diese – abgefilmte – visuelle Struktur hat er in eine – komponierte – auditive Struktur übersetzt und beide, synchronisiert, via Bildschirm und Lautsprecher
zugänglich gemacht; per Handrad können Geschwindigkeit und Fahrtrichtung manipuliert werden, wobei die Klänge ständig wechseln. Möglicher Rückkopplungseffekt: reale
Fahrten über schlaglochausgebesserte Straßen dürften künftig wesentlich unterhaltsamer erlebt werden …
Charakteristisch für die Entstehung von LaLiSa – ein Telefonprüfkasten ist die Faszination der Ästhetik des technischen Objektes; seines ursprünglichen
Zwecks enthoben und mit neuem klingendem Innenleben ausgestattet ist ein Prüfschrank aus der Frühzeit der Telefonie zum Musikobjekt mutiert, das auf
Tastendruck Stimmen hören lässt – die Wählscheibe macht dazu Schlagzeuggeräusche, und beim Abheben des Hörers erklingen Fragmente fremdländischer
Gesänge. Was dort bald als – wenn auch in absurder Kombination – abrufbares Repertoire identifiziert werden kann, entzieht sich beim Objekt 34,6 Kilo
Ohm der eindeutigen Zuordnung: Hier müssen von der handelnden Person zwei metallene Pole miteinander verbunden werden, damit – indem ein sehr geringer
Strom von einem Pol durch sie hindurch zum anderen Pol fließt – Klänge hörbar werden; das Schwanken des Hautwiderstandes, ausgelöst durch unterschiedliche
Druckausübung auf das Metall, beeinflusst die Qualität der Klänge. Hier findet die Begegnung mit dem akustisch Unerwartbaren in ihrer vielleicht
komplexesten Form statt, gesteigert nur durch die Möglichkeit des gegenseitigen Berührens mehrerer mit den Metallpolen verbundener Personen, etwa durch
Zwicken in die Nase oder das Ziehen am Ohr zum klingenden Zweck – ein guter Vorwand zur Kontaktaufnahme. Die Installation 34,6 Kilo Ohm funktioniert
mittels MIDI-Interface wie ein Orchester, das spontan auf jeden Fingerzeig reagiert. Die Anwendung dieser und anderer, meist digitaler technischer
Möglichkeiten steht Erwin Staches Multitalent ebenso zur Verfügung wie seine bildnerische Kompetenz und – nicht zuletzt – sein kompositorisches
Imaginationsvermögen – denn: Alles hängt mit Allem zusammen …
Ob nun seine Schöpfungen Klangskulpturen, -objekte, -installationen oder Instrumente genannt
werden, ist unerheblich, weil zum Sehen und Hören immer auch das Fühlen tritt, treten muss, um zu einem sinnlichen Ganzen zu werden – dies gelingt
Erwin Stache durch die Verführung seines Publikums zur Schärfung der Wahrnehmung und auch mit dem unwiderstehlichen Angebot, selbst
handelnder, d. h komponierender bzw. improvisierender Teil des Kunstwerks zu werden.