UA 2008 Dresden
Grafenhorst
Kurator: Stephan Froleyks
In den Kellergewölben des Klosters Gravenhorst lagerten einst die Vorräte zur Essensversorgung der dort ansässigen Nonnen. Zum Thema
passend installierte ich insgesamt elf blaue Blechgefäße, auf weißen Sockeln stehend und gefüllt mit verschiedenen Lebensmitteln. In
jedem Gefäß befand sich ein Rotor, der die Lebensmittel in Bewegung brachte. Durch verschiedene Geschwindigkeiten konnten die
Geräuschturbulenzen, die durch das Durcheinanderwürfeln der Essensvorräte entstanden, gesteuert werden. Wie in einem
Kammerorchester hatten die Schalen, Töpfe und Eimer mit entsprechendem Inhalt verschiedene Funktionen. Die Kartoffeln
übernahmen den Bass, die Zwiebeln einen Cellopart, während kleinere Nüsse und Bonbons für hohe, grell klingende Geräusche sorgten.
Dabei wurden die Rotationsgeschwindigkeiten der Motoren von einer Zentrale gesteuert, die wiederum anhand von verschiedenen
Kompositionen, die einzelnen Esswaren in rhythmisch interessante Wallungen brachte. Die besondere von Hall erfüllte Akustik im Raum
verstärkte das Rauschen, Poltern, Rasseln und Summen. Da die Gefäße im ganzen Raum verteilt waren, stand man als Zuhörer inmitten einer
Geräuschelandschaft und konnte zudem auch die Bewegung der Lebensmittel verfolgen. Die Anzahl der jeweiligen Bonbons, Nüsse,
Kartoffeln, Zwiebeln u.a. war wohl dosiert und festgelegt. Es gab große akustische Unterschiede, wenn z.B. in einer Schale anstatt
fünf Nüsse nur noch zwei durcheinandergewirbelt wurden.
Hier bekam dann auch der Satz „ Mundraub verändert den Klang“ eine Bedeutung. Es war also durchaus erlaubt, verschiedene Lebensmittel zu
entwenden. Nur sollte man die daraus resultierenden Klangveränderung bewusst wahrnehmen. Der Mundraub war Symbol von nicht gern gesehener
aber meist ungestrafter Handlung. Das Personal hatte jeden Morgen die Aufgabe, die vorgegebene Anzahl der Lebensmittel aufzufüllen,
um so den akustischen Urzustand wieder herzustellen. Am Abend konnte es durchaus sein, dass beliebte Genusswaren wie Bonbons oder
Kaugummis sich dem Ende neigten, deren Gefäße dann mehr oder weniger verstummten. Damit wurde eine gewisse Interaktivität
realisiert, die sich auf die Reduktion der Geräuschwelt bezog. Ein über den Tag ausgedehntes Decrescendo war das Ergebnis,
vernachlässigt man dabei die eher seltene Ausnahme, dass jemand etwas Essbares mitbrachte und in die Gefäße zurück legte.